Nur wenige Filme können mit einem derart faszinierenden Anfang aufwarten, wie Ridley Scotts Science Fiction Meisterwerk „Blade Runner“ von 1982. Nahezu atemverschlagend schwebt die Kamera über die dunklen, mit Neonreklamen übersäten Häuserschluchten von Los Angeles. Überbevölkerung und Umweltzerstörung prägen die Welt. Die Menschheit hat im Jahr 2019 die Schmutzarbeiten längst den Replikanten überlassen.
30 Jahre später scheinen noch weniger Lichtstrahlen in das städtische Grau vorzudringen, die Neon-Reklamen haben sich von ihren Wänden gelöst und werden als 3D-Hologramme in den Smog projiziert. Eine neue Generation von Replikanten macht jagt auf ältere rebellischere Modelle. Unter den Jägern K (wie geschaffen für die Rolle Ryan Gosling). In seinem Gefährt gleitet er gleich zu Beginn über die karge Landschaft außerhalb von LA. Der Anfang – eine offensichtliche Reminiszenz an den Filmklassiker.
Augenscheinlich steht Villeneuves „Blade Runner 2049“ dem Original ästhetisch um nichts nach. Dem kanadischen Regisseur und seinem Team gelingt es mit umfangreichem Set-Design und nur spärlich eingesetzten Computeranimationen die gleichen stimmungsvollen Bilder auf die Leinwand zu zaubern. Und auch an philosophischem Unterfutter mangelt es nicht.
Im Interesse der Konzerne
Wie schon im Vorgängerfilm steht in „Blade Runner 2049“ die Frage nach der „conditio humana“ im Mittelpunkt. Was macht den Menschen zum Menschen? Muss ein Mensch geboren werden um eine Seele zu besitzen und was ist das überhaupt, die Seele?
Die Unterschiede zwischen Menschen und Replikanten scheinen diesbezüglich weniger ausgeprägt als manch einer es sich in dieser dystopischen Zukunftsvision wünschen mag. K erscheint als großer Einsamer, ein im System der Polizei gut funktionierendes Werkzeug. Nach einem ermüdenden Arbeitstag ist das einzige, dass ihm so etwas wie „menschliche“ Nähe spendet, sein Heimcomputer – eine weiterentwickelte Form von „Alexa“ (Ana de Armas). Parallelen zu unserem heutigen Sein drängen sich auf.
Die Welt in Blade Runner ist eine kapitalistische. An der Spitze thront jener Konzern, der die Replikanten-Produktion nach einem so genannten Blackout wieder ankurbelte. Der Gründer – ein blindes Genie (Jared Leto, der seine Rolle buchstäblich blind spielte und in Aussehen und Gestik an Robert De Niros Darstellung als Teufel in „Angel Heart“ erinnert). In seinem hellen, von Kunstlicht durchfluteten Business-Tempel hat dieser Schöpfervater nur mehr wenig mit seinem im Dunst und Dreck lebenden „Produkt“ und der verarmten Bevölkerung gemein. Als seine Assistentin fungiert das neueste Replikanten-Modell Luv als ein zu Fleisch gewordenes Klischee einer Karrierefrau, bestrebt in ihrem Eifer alle zu übertreffen und bald schon gnadenlos im Kampf gegen den abtrünnig gewordenen K.
Liebevolle Verweise
Mit einem ähnlich harten Schlagabtausch bekommt es der nun endlich zum Leben Erwachte lediglich noch beim Zusammentreffen mit Deckard (Harrison Ford, der nach über 30 Jahren wieder in die Rolle schlüpfte) zu tun. Die lang erwartete Zusammenkunft der beiden erinnert zwar etwas an einen alten Bond-Film hätte aber schlimmer ausfallen können.
Überhaupt kann, wer aufpasst eine Reihe von netten filmischen und literarischen Verweisen ausfindig machen. Seien es die kleinen Origami-Schafe, die einen an den Buchtitel von Philip K. Dick „Do Androids Dream of Electric Sheeps“ denken lassen, das einst als Stoff für Ridley Scotts zwischen Science-Fiction und Film noir angesiedelten Kultfilm diente, oder eine sprachliche Anspielung wie jene an Pinocchio.
Doch ob echter Junge oder nicht – Replikant oder Mensch: Am Ende ist das was zählt, was wir aus unserem Leben machen. Auch damit knüpft Villeneuve intimes, wunderbar gelungenes, in der Weite eines Waste Lands angesiedeltes, Existenz-Drama an seinen Vorgänger an. Im wahrsten Sinn des Wortes sehenswert!
Blade Runner 2049. Ein Film von Denis Villeneuve. Mit Ryan Gosling. Harriso Ford, Ana de Armas, Jared Leto u.v.m. 163 Minuten. USA 2017.
Kinostart: 5. Oktober 2017
© 2017 Sony Pictures Releasing GmbH
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